Reisetagebuch 2. Abschnitt

Reisetagebuch über die Fahrt entlang des 2. Abschnitts der Erlebnisroute Maria Pawlowna von Leipzig nach Frankfurt an der Oder vom 11.6.2024 bis 14.6.2024

Von Helmut Kleinschmidt und Iris Geisler

Im vergangenen Jahr 2023 fuhr eine Reisegruppe der Maria-Pawlowna-Gesellschaft mit Pferdekutschen entlang des 1. Abschnitts der Erlebnisroute Maria Pawlowna von Weimar nach Leipzig. In diesem Jahr wurden die originellen Pferdekutschen gegen einen modernen Reisebus eingetauscht, der es ermöglichte, an vier Tagen ein umfangreiches Geschichtsprogramm zu absolvieren. Mit ihm zogen wir bequem und sicher durch bunte idyllische Städte und Dörfer Mitteldeutschlands und Brandenburgs bis an die Friedensglocke an der deutsch-polnischen Landesgrenze in Frankfurt/Oder.

Auf diesem zweiten Streckenabschnitt von Leipzig über Eilenburg, Torgau, Herzberg, Luckau, Lübben, Lieberose, Beeskow und Frankfurt/Oder haben wir viele interessante Menschen, Vereine und viel Sehenswertes kennengelernt. Und immer stießen wir im Sinne des Anliegens der Maria-Pawlowna-Gesellschaft auf herzliches Entgegenkommen, als hätten die Menschen auf ein Zeichen für Frieden und Freundschaft gewartet.

Nicht alle lieb gewonnenen Reiselustigen des Vorjahres konnten an dem strapaziösen zweiten Abschnitt der kulturhistorischen Reise teilnehmen. Dafür fanden sich neue Abenteuerlustige, die sich mit uns auf den Weg machten, weil sie sich für das positive Wirken der russischen Großfürstin und Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach interessieren. Mit kritischem Blick waren sie auf der Suche nach Zeugnissen aus dem Jahr 1804, die auch die Großherzogin auf ihrer Reise von St. Petersburg nach Weimar in Augenschein nahm oder hätte nehmen können. Nach 220 Jahren war oft nur noch eine virtuelle Vorstellung von den einstigen Örtlichkeiten möglich. Umso höher ist die praktizierte Erinnerungskultur der Reisegruppe einzuschätzen.

Auch auf dieser Reise waren wir bald eine fröhliche Schar.

Allen voran wieder Dr. Irina Tschistowskaja, die die Hauptverantwortung trug und von Dirk Udo Fricke sowie von Helmut Kleinschmidt aktiv unterstützt wurde. Akribisch bereiteten sie die Organisation der Reise vor. Dazu gehörte eine vorherige Erkundungsfahrt zu den Reisezielen, Kontaktaufnahme zu den lokalen Repräsentanten und Organisatoren, die uns vor Ort freundlich empfingen und unserem Anliegen stets wohlgesonnen waren. Sie führten uns mit Hingabe in die Historie der Reisestationen ein.

Mit Unterstützung der Geschichts- und Heimatvereine, hier sind die Vereine in Herzberg, Luckau, Lieberose und Frankfurt/Oder hervorzuheben, gestaltete sich die Reise zu einem nicht nur geistigen Wohlfühlprogramm, an das sich alle Teilnehmer gerne erinnern.
Helmut Kleinschmidt übernahm teilweise Reiseführeraufgaben, die ihm die Gruppe sehr dankte. Wir alle profitierten von der gelungenen Organisation aufs Beste und wertschätzen mit Bezug auf die heutige Zeit den Blick zurück in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, den uns diese Reise bot, sehr.

Dienstag, 11. Juni 2024 – 1. Reisetag

Wir starteten in Weimar auf dem Platz der Demokratie mit heiterem Sinn und viel Vorfreude auf das Kommende.

 

Eilenburg: Stadt der Heinzelmännchen-Sage

Die kleine Stadt an der Mulde im Nordwesten des Bundeslandes Sachsen war unser erstes Ziel. Auf dem Burgberg mit Rudimenten der einstigen Ilburg erwartete uns Herr Flegel, Leiter des Stadtmuseums Eilenburg. Er informierte uns auf dem heute als Aussichtsturm genutzten Sorbenturm ausführlich über die hier noch heute nachweisbare slavisch-sorbische Siedlungsgeschichte und die Herrschaftsverhältnisse vergangener Jahrhunderte. Wir bestiegen den von Weitem sichtbaren Sorbenturm, den die Großherzogin nur als verfallene Ruine zur Kenntnis nehmen konnte und der noch zu ihrer Zeit vor dem völligen Verfall gerettet wurde. Unser Blick streift von hier aus über die Stadt, über sanierte Dächer, über das sich weit ausbreitende einstige sorbische Stammesgebiet zwischen Elbe und Saale.

Im Dreißigjährigen Krieg erlangte sie durch den Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf besondere Beachtung. Nachdem der Schwedenkönig 1632 bei Lützen gefallen war, im Geleithaus in Weißenfels das erste Mal aufgebahrt wurde, brachte man ihn nach Eilenburg in den späteren Gasthof „Zum Roten Hirsch“ und bahrte ihn hier abermals auf. Dieser ehemalige Gasthof beherbergt heute das Stadtmuseum Eilenburg. Hier erinnert das 1906 entstandene Triptychon von Ernst Albert Fischer an die Aufbahrung des Schwedenkönigs im „Roten Hirsch“.

Mit Eilenburg verbunden sind zwei Geistliche zu nennen, die Weltruf erlangten.
Martin Luther kam während der Reformationszeit insgesamt siebenmal nach Eilenburg. Der in Eilenburg geborene Martin Rinkert (1586 bis 1649) übernahm 1617, ein Jahr vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, die Archidiakonatsstelle. Sein 1630 entstandener Choral „Nun danket alle Gott“ ließ ihn unsterblich werden.

Auch Eilenburg blieb von Schreckensszenarien Napoleons nicht verschont. Am 09. Oktober 1813, eine Woche vor der Völkerschlacht bei Leipzig, nahm Napoleon hier eine Heeresschau ab, bevor er nach Düben weiterzog und hier mit etwas Weitblick seiner vernichtenden Niederlage entgegensehen musste. Ein Gemälde im Stadtmuseum erinnert an dieses Ereignis.

Wie die Kölner behaupten auch die Eilenburger, dass die Heinzelmännchen-Sage hier in Eilenburg ihren Ursprung habe. Ebenso behaupten sie immer wieder gern, dass Goethe in Eilenburg gewesen sei. So vermuten es die Eilenburger, weil Goethe in seiner Zeit des Sturm und Drangs für sein „Hochzeitlied“ die Heinzelmännchen-Sage als Rahmen nutzte.

Maria Pawlowna mit ihrem Gemahl nahm hier in Eilenburg am 06. November 1804 einen Imbiss ein, möglich im „Roten Hirsch“, und reiste weiter nach Leipzig. Unsere Reisegesellschaft brach in entgegengesetzter Richtung auf nach Torgau.

 

Torgau

Wir fuhren weiter nach Torgau. Die Stadt an der Elbe liegt im Nordwesten des sächsischen Freistaates und gilt als eine der schönsten Renaissancestädte Deutschlands. Sie wird bis heute als touristischer Geheimtipp gehandelt. Uns erwartete Herr Stradec zu einer Stadtführung. Bei Sonnenschein und in Sommerlaune ging es durch die engen Gassen der Altstadt. Herr Stradec machte uns neben aufwendig sanierten Bürgerhäusern und zahlreichen geschichtlich interessanten Besonderheiten mit einer Kirche bekannt, die man von keinem innerstädtischen Standort sehen kann und die doch existiert. Es handelt sich dabei um die einstmalige im Innenhof des Rathauses versteckte Nikolaikirche, die ihre Zukunft als Kunsthalle und Begegnungsstätte Torgaus sieht.
Torgau versteht sich gerne als das politische Zentrum der von Wittenberg ausgegangenen Reformation, die hier in Torgau, in der Nikolaikirche, ihren Anfang nahm.
Nach einer Odyssee, die Katharina von Bora nach dem Tod Martin Luthers durchlebte, erlag Käthchen, wie Martin Luther seine Frau gerne nannte, in dem heute als Museum zugänglichen Sterbehaus ihren Verletzungen. Hier in Torgau liegt sie an unbekannter Stelle begraben.

Das Renaissanceschloss Hartenfels ist ein wunderbar aber immer noch unfertig restauriertes Schlossensemble an der Elbe mit einer wechselvollen Geschichte, das als Museum und als Verwaltungsgebäude genutzt wird.

In Torgau fand am 25.04.1945 die legendäre Begegnung zwischen amerikanischen und sowjetischen Soldaten auf der zerstörten Torgauer Brücke statt, der sog. „Handschlag an der Elbe“. Das Denkmal der Begegnung, eine Stele am Ufer der Elbe, erinnert an dieses Ereignis.

Während der Durchreise der Großfürstin im Jahr 1804 war das Schloss in Besitz der Albertiner, kam nach dem Wiener Kongress 1815 in preußischen Besitz und wurde auch danach als Verwaltungsgebäude genutzt.

Nun war Eile geboten, denn wir wurden in Herzberg erwartet.

 

Herzberg/Elster

Herzberg, die Stadt an der Schwarzen Elster, hat uns herzlich empfangen.
Dem Eintrag in der Chronik der ehemaligen Chur- und jetzigen Kreisstadt Herzberg/Elster ist zu entnehmen, dass der Großfürstin mit ihrem Herrn Gemahl am 05. November 1804 durch eine Schützengilde ein militärischer Honneur erwiesen wurde.
Hier übernachtete das Ehepaar in der Herzberger Poststation in der heutigen Schliebener Straße 82, zu damaliger Zeit betrieben von dem geachteten Postmeister von Zedlitz. Ausgaben für Herberge, Kost und Verpflegung („Wildpret, Hühner etc.“), lassen darauf schließen, dass sich die Reisenden hier gut erholen konnten.

Anlass genug, unweit der ehemaligen Poststation, zwischen Marienkirche und Rathaus mit einer Informationstafel an diese hoheitliche Durchreise zu erinnern und die Tafel gemeinsam mit Vertretern des Bürgermeisters Eule-Prütz und seinen städtischen Mitarbeiterinnen, mit Vertretern des Kultur- und Heimatvereins Herzberg (Elster) e.V. und Herzberger interessierten Bürgern feierlich zu enthüllen.

Die anschließende Besichtigung der dreischiffigen Hallenkirche „Sankt Marien“, einem lebendigen Zeugnis spätgotischer Baukunst mit ihren original erhaltenen Gewölbemalereien in a secco-Ausführung aus dem 15. Jahrhundert, erinnerte uns an die günstige Lage des Städtchens an einer bedeutsamen Handelsstraße wie auch an eine profitable großbäuerliche Landwirtschaft am Rande des Baruther Urstromtales.

Die vielen sanierten Bürgerhäuser mit den zum Teil als Portal schmuckvoll gestalteten Toreinfahrten unterstreichen das. Es handelt sich hierbei um landläufig genannte Ackerbürgerhäuser. Diese prägen das Stadtbild zu großen Teilen und weisen auf die einst vorwiegend landwirtschaftlich geprägte Landschaft in und um Herzberg hin.

Die bereits erwähnten spätmittelalterlichen Gewölbemalereien in den Haupt- und Seitenschiffjochen der St. Marienkirche üben bis heute eine große Faszination aus. Ein guter Erhaltungszustand und die Erläuterungen Frau Jages, einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, sowie von den Mitgliedern des Kultur- und Heimatvereins Herzberg versetzten uns in eine andere, längst vergangene Welt. Schweigend erfüllte uns ein zu Herzen gehendes besinnliches Staunen.

Eine Begegnung hat uns besonders angenehm berührt. Es war das engagierte Auftreten des betagten Horst Gutsche mit seiner Frau, Mitglieder des Kultur- und Heimatvereines, während des Rundgangs durch das interessante Städtchen. Sie führten uns u. a. zum Herzberger Wunderstein, dessen Geschichte auf die Freundlichkeit der Herzberger hinweist.

Ein gemütliches Beisammensein mit den Mitgliedern des Kultur- und Heimatvereins in der Gastronomie im Rathaus ließ den erfüllten Tag harmonisch und heiter ausklingen. Ein erlebnisreicher Tag endete schließlich im Schloss Grochwitz am Rande der Stadt, wo wir übernachteten.

 

Mittwoch, 12. Juni 2024 – 2. Reisetag

Schloss Grochwitz

Der Tag begann mit einer Besichtigung des Schlosses Grochwitz, das sich heute als Hotel (Garni) und Eventlocation empfiehlt. Die einstige Brühlsche, von Brühl, dem Staatsmann unter August dem Starken, aber kaum genutzte Immobilie, war durch Brand dem endgültigen Verfall ausgesetzt.

Der Besitzer, Dr. Günther Unterkofler, der das schwer heruntergekommene Gebäude samt Nebenanlagen 2004 erwarb, gab uns eine interessante Führung. Die wechselvolle Geschichte dieses von Brühl zum Schloss erklärten Gebäudes ist auf der Homepage des Hotels nachvollziehbar. Bemerkenswert erschien uns die private Initiative des Herrn Unterkofler, dessen Ziel es nicht nur ist, die Gebäudesubstanz zu erhalten und zu verwerten, sondern auch kulturhistorische Kleinode, die uns beim Rundgang aufgefallen sind, zu bewahren, zu schützen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nachhaltig in Erinnerung bleibt zum Beispiel die Bibliothek, in der so mancher Fürst sein Tabakkollegium hätte abhalten können, wie auch die Hauskapelle. Auffällig waren im Haus auch die zahlreichen Musikinstrumente, die unsere mitreisende Silvia Dohl im Musikzimmer zu einem gelungenen Vortrag eines Musikstückes nach einer Melodie, die Maria Pawlowna zugeschrieben wird, anregte.

 

Luckau

Wir verlassen Herzberg und eilen dem brandenburgischen Städtchen Luckau entgegen. Die Kursächsische Postmeilensäule am Ortseingang von Hohenbucko haben wir nicht übersehen. Es folgte eine ruhige genüssliche Fahrt durch die grünende Rochauer Heide.

Auf dem Marktplatz mit den aufwändig sanierten und reich verzierten Bürgerhäusern erwartete uns der Bürgermeister Gerald Lehmann sowie Mitglieder des Luckauer Heimatvereins. Mit Ihnen wurde eine kleine Infotafel an der Fassade des ehemaligen Wirtshauses «Zum goldenen Ring», wo die Reisegesellschaft Maria Pawlownas bei der Durchreise in Luckau speiste, eingeweiht. Der QR-Code leitet alle Interessierten auf die Homepage der Maria-Pawlowna-Gesellschaft weiter, wo nähere Informationen zum Projekt „Erlebnisroute Maria Pawlowna“ zu finden sind.  Die Ansprachen des Bürgermeisters und Helga Tuceks, Geschäftsführerin des Luckauer Heimatvereins, begrüßten unsere Initiative und bestärkten uns, die Zielstellung des Vorhabens „Erlebnisroute Maria Pawlowna“ als Beitrag zur Völkerverständigung mit Mitteln von Kunst, Kultur und Tourismus weiterzuverfolgen.

Im Rahmen eines Stadtrundgangs wurden wir mit der Geschichte des beschaulich wirkenden Städtchens, das einst zur Hauptstadt der Niederlausitz ernannt war und im Mittelalter immense Bedeutung hatte, vertraut gemacht. Frau Helga Tucek übernahm die Führung durch die gepflegte Stadt. Unter anderem führte sie uns in die St. Nikolaikirche und vermittelte interessante Details. So gehört die St. Nikolaikirche zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchenbauten in Berlin und Brandenburg. Von der erst aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts stammenden Innenausstattung sei insbesondere die vorzügliche hochbarocke Orgel des Leipziger Orgelbauers Christoph Donat hervorzuheben. Die reich verzierten Holzemporen mit der Doppelwendeltreppe verlangen ihre Aufmerksamkeit. Der zufällig vorbeikommende Tourist erkennt erst auf den zweiten Blick bewundernd, dass es sich bei der Kanzel des Torgauer Bildhauers Andreas Schultze um eine Kanzel aus Sandstein handelt.

Gleich auf dem Marktplatz befand sich einst die Poststation. Der Postgeschichtsforscher aus Königs-Wusterhausen, Herr Wolfgang Pinkow, begleitete uns während des Rundgangs. Das Postwesen hatte mit der sich rasch entwickelnden industriellen Massenproduktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, des damit verbundenen wachsenden Transportaufkommens wie auch wegen der wachsenden Bedürfnisse an Kommunikation und Mobilität eine ganz entscheidende Bedeutung, so auch für das Reisewesen. Die noch vorhandenen und meist restaurierten Postmeilensäulen belegen das. Vor dem ehemaligen Stadttor gibt es eine nach dem historischen Vorbild neu hergestellte Postmeilensäule, die noch an ihrem historischen Platz zu finden ist. Luckau verfügte früher über zwei Postmeilensäulen.

Nach der Mittagspause fuhren wir zunächst nach Turnow, um uns im Landhotel Turnow einzuchecken. Etwas in Eile ging es danach auf nach Lieberose, um den Reisetag in Lieberose mit einem reichhaltigen Nachmittags- und Abendprogramm abzuschließen.

 

Lieberose

Der Nachmittag begann mit einem Kaffeetrinken im Café „Markt 6“. Eingeladen hatte der über seit 30 Jahren wirkende Förderverein Lieberose. Hier gab es den ersten Gedankenaustausch.
Zur Stadt Lieberose und seinem Förderverein, der sich auch das Anliegen der Maria-Pawlowna-Gesellschaft zu eigen machte, bestehen seit Langem enge freundschaftliche Beziehungen.
Im Rahmen eines Stadtrundgangs wurden wir durch Mitglieder des Fördervereins über die wechselvolle Geschichte dieses Ackerbürgerstädtchens und einstigen kursächsischen Residenzstadt informiert. Seit dem Prager Frieden 1635 gelangte die dünnbesiedelte Niederlausitz an Sachsen. Das Städtchen durchlebte in seiner Entwicklung viele Höhen und Tiefen. Erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr es wieder einen nachhaltigen Aufschwung. Unter anderem führte der Rundgang vorbei an der bereits aufgestellten Informationstafel zur Erlebnisroute Maria Pawlowna, die über die Durchreise der Großfürstin mit Erbprinz Carl Friedrich erinnert. Er endete am Bürgerzentrum in der ehemaligen Darre.

Die gemeinsame Veranstaltung der Maria-Pawlowna-Gesellschaft und des Fördervereins Lieberose „Geschichte und Gegenwart entlang der Erlebnisroute Maria Pawlowna – Fest der Begegnungen“ bei Teilnahme des Bürgermeisters und 1. Hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Weimar Ralf Kirsten, der auch am Rundgang durch die Stadt teilnahm, unterstreicht die hohe Wertschätzung des Wirkens der Maria-Pawlowna-Gesellschaft durch die Stadt Weimar. Die Lieberoser Bürgermeisterin, wie auch Vertreter des Lieberoser Fördervereins begrüßten das Streben der Maria-Pawlowna-Gesellschaft, mit Mitteln von Kunst und Kultur einen Beitrag für Frieden und Völkerverständigung zu leisten. Mit öffentlichen Ansprachen und in persönlichen Gesprächen wurden wir bestärkt, in diesem Sinne das Projekt Erlebnisroute fortzusetzen, möglichst über alle Landesgrenzen hinweg.

Mit einem besinnlich-heiteren Konzert von Matthias Hessel (Pianist und Komponist, Berlin), der Filmvorführung „Kutschfahrt der Maria-Pawlowna-Gesellschaft von Weimar nach Leipzig (2023)“ und einem geselligen Beisammensein fand ein erlebnisreicher Tag seinen würdigen Abschluss.

 

Donnerstag, 13. Juni 2024 – 3. Reisetag

Beeskow

Das liebenswürdige Städtchen an der Spree, die ihren Weg auf der Sohle des Baruther Urstromtales auf einer Höhe von 40 Metern über NN sucht und schließlich in die Fürstenwalder Spree mündet, ist die erste Station des 3. Tages unserer Reise.

Udo Ladewig und Angelina Wüstenhagen, die ihren Begleiter gern und originell mit einem mysteriösen Mäntelchen umhüllt, führten uns zu den interessantesten Orten des Städtchens. Hier sollen zwei Höhepunkte der Führung hervorgehoben werden, die uns unvergesslich bleiben.
In der Kirchgasse der Beeskower Altstadt befindet sich das älteste Haus der östlichen Mark Brandenburg. Nach einem Stadtbrand im Jahr 1513 wurde ein Speicher als Wohnhaus aufgebaut. Das heute zu bestaunende Haus wurde 1995 rekonstruiert.

In unmittelbarer Nachbarschaft werden wir von der Größe des frühgotischen Kirchenbaus mit einer Höhe von 47 Metern überrascht. Hier versetzte uns Theodor Böll mit seinem Wissen und rhetorisch äußerst unterhaltsamen Erläuterungen zur Geschichte, Konstruktion und Ausstattung dieses Kirchengebäudes in Backsteingotik in freudiges Staunen.

Unsere Schlussfolgerung: Wer sich entschließen sollte, die wasserreiche Kreisstadt Beeskow mit touristischen Absichten einmal aufzusuchen, sollte allein schon wegen dieser beiden Empfehlungen Zeit mitbringen.

 

Frankfurt an der Oder

Unser Weg nach Frankfurt/Oder führte über Müllrose. Wir dachten an das junge Brautpaar, das hier am 4. November 1804 zu Mittag speiste und sich mit Viktualien (Lebensmittel), Selterwasser und Porter Bier versorgte. Auch wir stärkten uns mit einem Mittagessen und einem erholsamen Blick auf den Großen Müllroser See für das Abenteuer, das in Frankfurt/Oder auf uns wartete.
Von Cüstrin (heute Kostrzyn nad Odra) kommend, nahm die Reisegesellschaft am 3. November 1804 im Gasthof zum Adler Quartier. Laut Tagebucheintrag machten sie sich hier bei einem gemeinsamen Essen mit ranghohen Persönlichkeiten ihrer Zeit bekannt.
Die Prinzeß stellte sich u.a. dem Herzog von Braunschweig-Oels vor. Auch ihr Schwiegervater Carl August war anwesend.

Die Örtlichkeiten, die wir hier gerne aufgesucht hätten, wurden gegen Ende des 2. Weltkrieges, wie die einst interessante Bausubstanz der Stadt im Ganzen, fast völlig zerstört, folglich mit neuen Ideen überbaut. So ist Frankfurt heute eine junge Stadt an der Oder, die bestrebt ist, ihre Geschichte mit musealen Mitteln verständlich zu machen.

Einen wichtigen Beitrag hierbei leistet das Stadt- und Regionalmuseum Viadrina im Junkerhaus. Dr. Tim Müller führte uns durch das Museum und berichtete am Model der «Stadt Frankfurt (Oder) um 1550» über interessante Details zur Geschichte der Stadt, u. a. wie sie zu ihrem Namen kam. Jedem Museumsbesucher bleibt wohl die Geschichte des Herzogs Leopold von Braunschweig, sein persönlicher Einsatz bei Hochwasser der Oder am 27. April 1785, bei dem er sein Leben verlor, in lebhafter Erinnerung. Erinnert wurden wir auch an das viel zu kurze Leben Heinrich von Kleists, der hier geboren wurde und sich gerne dem Einfluss von Goethe und Schiller aussetzte.

Während der Stadtbesichtigung, geführt von Dr. Martin Schieck vom Historischen Verein zu Frankfurt/Oder waren wir von den prächtigen Backsteinbauten beeindruckt, so von der Rathausfassade und der St. Marienkirche zu Frankfurt/Oder, die alle Wirren der Zeit überstanden und mit viel Aufwand erhalten werden konnten.

Die Stadtführung endete an der Friedensglocke, deren Botschaft wir sehr begrüßen und mit unserem Projekt Erlebnisroute Maria Pawlowna bekräftigen.
Der Tag endete mit einem gemeinsamen Abendessen in unmittelbarer Nähe der nachts blau-grün leuchtenden Oderbrücke Frankfurt/Słubice mit Mitgliedern des historischen Vereins und des Vereins der Freunde und Förderer des Museums Viadrina e. V.

Ein erholsamer Spaziergang führte uns zurück in das Hotel „Zur alten Oder“.

 

Freitag, 14. Juni 2024 – 4. Reisetag

Lübben

Wer an Lübben denkt, denkt an Spreewald, an Kahnfahrten durch ein Biosphärenreservat, an das typische Spreewälder Erzeugnis, die Spreewaldgurke und natürlich auch an eine bis heute erhaltene sorbische Kultur mit Trachten und Tänzen.

Wir erhofften uns mit dem Halt in Lübben, eine kleine Kostprobe dieser landestypischen Kostbarkeiten mit allen Sinnen genießen zu können, was uns auch zur Zufriedenheit aller Mitreisenden gelang.

Die Kahnfahrt auf Höhe von Schell-Enten und anderen Wasservögeln unter sattgrünen Bäumen, mit interessanten Kommentaren zu geologischen und biologischen Besonderheiten, die unsere Vorstellung vom Spreewald erweiterten, war besinnlich und erholsam.

Das Mittagessen in der unmittelbar am „Hafen“ befindlichen Gaststätte beendete den kulinarischen Teil unserer Reise.

Einen letzten Blick zurück in die Geschichte genossen wir mit einer Führung durch das sonst von Touristen etwas stiefmütterlich behandelte Lübbener Schloss.

Auch hier erhielten wir durch die wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellv. Leiterin des Museums Schloss Lübben, Frau Frenzel, größeren Einblick in Geschichte und Bedeutung des Städtchens im Landkreis Dahme-Spree. Zurecht stolz ist die Stadt Lübben auf ihren einzigartigen Wappensaal. Er zeugt von der regen überregionalen Verwaltungstätigkeit der Stadt. Hier kamen die Stände der Niederlausitz zusammen. Der Saal wird von einem riesigen Bild des Malers August Oetken überstrahlt, das neugierig macht und das Bedürfnis weckt, beim nächsten Besuch mehr Zeit einzuplanen.

 

Das Ende einer Reise

Mit Ankunft der Reisegesellschaft am Ausgangspunkt in Weimar endete eine gelungene Reise entlang des 2. Abschnitts der Erlebnisroute Maria Pawlowna. Unsere praktizierte Erinnerungskultur wurde allerorts gewürdigt.

Es endet nicht das weitere Streben der Maria-Pawlowna-Gesellschaft nach Völkerverständigung, nach Würdigung eines wohltätigen Wirkens, wie es uns die russische Großfürstin und einstige Großherzogin von Sachsen Weimar Eisenach, Maria Pawlowna, vorlebte.

Weiterer Bericht über die Reise 2024

Weiterer Bericht über die Reise entlang des 2. Abschnitts der Erlebnisroute

Das Portal „Kulturdreieck Dahme-Spreewald“ hat über den Aufenthalt der Maria-Pawlowna-Gesellschaft während ihrer Reise entlang des 2. Abschnitts der Erlebnisroute Maria Pawlowna in Lieberose am 13. Juni 2024 folgendes berichtet:

Eine Zielstellung des Fördervereins Lieberose ist die Erforschung kulturellen Erbes und Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse. Und so ist die Zusammenarbeit mit der Maria-Pawlowna-Gesellschaft e. V. mittlerweile zu einem ganz besonderen Herzensprojekt geworden. Die Gesellschaft entwickelt die Reisestrecke von St. Petersburg nach Weimar, die die Großherzogin Maria Pawlowna und Carl Friedrich nach ihrer Hochzeit zurücklegten, als touristische Kulturroute mit dem Titel «Erlebnisroute Maria Pawlowna». Eingeteilt in 10 Reiseabschnitte machten sich 15 Mitglieder des Vereins am 11. Juni auf die Reise des 2. Abschnittes von Leipzig nach Frankfurt/Oder. Die Route führte dabei durch Eilenburg, Torgau, zum Schloss Grochwitz, nach Herzberg/Elster — Meine Stadt, Stadt Luckau.de und gestern schließlich auch nach Lieberose wo das Paar 1804 für eine Nacht verweilte. Dieter Klaue, Vorsitzender des Fördervereins begrüßte die Gäste und den Bürgermeister der Stadt Weimar Ralf Kirsten und führte in einem kleinen Stadtrundgang zu historischen Plätzen. Im Anschluss lud der Förderverein zum Konzert mit Matthias Hessel, einem Komponisten aus Berlin, sowie der Filmvorführung «Kutschfahrt der Maria Pawlowna Gesellschaft von Weimar nach Leipzig» ein. In den anschließenden Gesprächsrunden wurde eines ganz klar: Maria Pawlowna als soziale Wohltäterin und Kunstförderin kann heute noch als Vorbild für den intensiven kulturellen Austausch zwischen den Völkern dienen und ihr Wirken verdient ganz sicher eine größere öffentliche Wahrnehmung.

Wir danken dem Facebook-Portal „Kulturdreieck Dahme-Spreewald“ für die freundliche Unterstützung.

Berichte über die Reise 2024

Zeitungsberichte über die Reise entlang des 2. Abschnitts der Erlebnisroute Maria Pawlowna.

Im Vorfeld der Reise der Maria-Pawlowna-Gesellschaft entlang des 2. Abschnitts der Erlebnistoute Maria Pawlowna von Leipzig nach Frankfurt an der Oder hat die Thüringische Landeszeitung/Thüringer Allgemeine am 6. Juni 2024 einen Artikel von Victoria Augener „Dem Herzogenpaar auf der Spur“ veröffentlicht. 

Am 15. Juni 2024 berichtete die Thüringische Landeszeitung/Thüringer Allgemeine über die Einweihung der Informationstafel zur Erlebnisroute Maria Pawlowna in Herzberg an der Elster. 

Wir danken der Thüringischen Landeszeitung/Thüringer Allgemeinen für die freundliche Unterstützung des Projektes der Maria-Pawlowna-Gesellschaft.

Einweihung Informationstafel Lieberose

Einweihung der sechsten Informationstafel zur Erlebnisroute Maria Pawlowna in Lieberose

Am 4. November 2023 hat die Maria-Pawlowna-Gesellschaft mit Unterstützung des Fördervereins Lieberose e.V. die sechste Informationstafel zur Erlebnisroute Maria Pawlowna eingeweiht. Der Ort Lieberose lag auf der Strecke der Reise Maria Pawlownas aus St. Petersburg nach Weimar 1804. In der ehemaligen Poststation in Lieberose hat die Reisegesellschaft gespeist und übernachtet.

Unser Projektpartner, der Förderverein Lieberose e.V., feierte am 4. November 2023 sein 30-jähriges Gründungsjubiläum.
http://www.lieberose-niederlausitz.de/festtag-foerderverein-4-11-23/

Das Programm beinhaltete die feierliche Einweihung der Informationstafel zur Erlebnisroute Maria Pawlowna, ein musikalisches Programm der Comenius-Grundschule und die Vorführung des mit den Schülern entstanden Films „Nadel, Harz & Rinde“ sowie ein Konzert des Orchesters „Grenzenlos“.

Der Förderverein Lieberose hat dafür gesorgt, dass eine Aufstellgenehmigung für unsere Informationstafel erteilt wurde, sie angefertigt und aufgestellt wurde und sogar die Kosten dafür übernommen wurden. Für diese großartige Unterstützung dankt der Vorstand der Maria-Pawlowna-Gesellschaft dem Förderverein Lieberose auf das Herzlichste! Auch dafür, dass die kleine Delegation unseres Vereins bei den Feierlichkeiten in Lieberose so herzlich aufgenommen wurde.

Die sich so hervorragend anbahnende Kooperation zwischen dem Förderverein Lieberose und der Maria-Pawlowna-Gesellschaft möchten wir gerne zukünftig vertiefen. 

Infotafel Wilhelmsthal. Berichte

Berichte zur Einweihung einer Informationstafel im Schlosspark Wilhelmsthal

30.07.2023

Am 22. Juli 2023 fand im Schlosspark Wilhelmsthal die feierliche Einweihung der Informationstafel zur Erlebnisroute Maria-Pawlowna statt. Zur gemeinsamen Feierstunde haben die Maria-Pawlowna-Gesellschaft, die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sowie der Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. eingeladen.
Mit dem Schloss Wilhelmsthal fühlte sich Maria Pawlowna sehr verbunden. Sie kam erstmalig 1805 nach Wilhelmsthal und kehrte für die Sommermonate immer wieder zurück.
Die Teilnehmer der Feierstunde waren von der Atmosphäre dieses magischen Ortes sehr beeindruckt. Auf der gepflegten Blumenhalbinsel, mit herrlichem Blick zum See, haben die Mitglieder der Maria-Pawlowna-Gesellschaft bei schönem Wetter herzliche Begegnungen mit verschiedenen Menschen bei kulinarischen Genüssen, die durch die Teilnehmer beigesteuert wurden, erlebt. Ein Schlossrundgang mit fundierten und amüsanten Informationen von Herrn Dr. Arends war der krönende Abschluss der Veranstaltung.
Der Vorstand der Maria-Pawlowna-Gesellschaft dankt unseren Projektpartnern und allen Beteiligten für die konstruktive und angenehme Zusammenarbeit.

Die Thüringische Landeszeitung (wie auch die Thüringer Allgemeine) hat am 24. Juli 2023 auf der lokalen Seite Eisenach den Beitrag „Glückliche Sommer im Schloss Wilhelmsthal“  veröffentlicht.

Hier können Sie den Beitrag ansehen.

Text und Foto: Birgit Schellbach, Thüringische Landeszeitung, Lokal Eisenach 24.07.2023
Mit freundlicher Genehmigung der Thüringischen Landeszeitung

MDR-Radio Thüringen hat am 22. Juli 2023 einen Beitrag über unsere Feierstunde  gesendet.

Hier können Sie den Beitrag anhören.

Bericht von Ruth Breer
Mit freundlicher Genehmigung des MDR Radio Thüringen

Der Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. hat auf seiner Homepage einen Bericht über die Einweihungsfeier veröffentlicht.

Hier ist der Link zum Bericht.

Viel Freude beim Lesen und Anhören!

Weitere Berichte über die Kutschfahrt

Das MDR-Radio Thüringen hat im Vorfeld unserer Kutschfahrt einen Beitrag am 4. Juni 2023 gesendet.

Hier können Sie den Beitrag anhören:

Bericht von Conni Mauroner
Mit freundlicher Genehmigung des MDR Radio Thüringen 

Das MDR-Fernsehen hat im Thüringen Journal am 5. Juni 2023 einen kurzen Bericht zum Start der Kutschfahrt gebracht.

Hier können Sie den Beitrag ansehen:

Mit freundlicher Genehmigung des MDR Radio Thüringen

Das MDR-Fernsehen hat in der Sendung Sachsen-Anhalt heute vom 8. Juli 2023 einen Bericht über die Ankunft unserer Reisegesellschaft in Weißenfels ausgestrahlt.

Hier können Sie den Beitrag ansehen:

Bericht: A. Dabrowski/H. Puchala
Mit freundlicher Genehmigung des MDR Sachsen-Anhalt

Viel Freude beim Anhören und Anschauen!

Zeitungsberichte über die Kutschfahrt

Die Thüringer Landeszeitung (wie auch die Thüringer Allgemeine) hat auf der lokalen Seite für Weimar über die Kutschfahrt der Maria-Pawlowna-Gesellschaft von Weimar nach Leipzig vom 5. bis 9. Juni 2023 berichtet: 

TLZ vom 6. Juni 2023 (Text: Redaktion, Foto: Michael Grübner)

TLZ vom 7. Juni 2023 (Text: Redaktion, Foto: Daria Konrad)

TLZ vom 9. Juni 2023 (Text: Redaktion, Foto: Michael Pein, Maria-Pawlowna-Gesellschaft)

 

TLZ vom 10. Juni 2023 (Text: Redaktion, Foto: Michael Pein, Maria-Pawlowna-Gesellschaft)

Kutschfahrt — Reisetagebuch

Hoch auf dem gelben Wagen - Kutschfahrt der Maria-Pawlowna-Gesellschaft von Weimar nach Leipzig vom 5.6. bis 9.6.2023 – ein Reisetagebuch

Von Iris Kerstin Geisler 

Vielleicht erinnert sich der Weimarer Schlossplatz an diesem Morgen des 5. Juni 2023 zurück: An die Zeiten, als Damen in langen Empirekleidern aus bestickter Seide, Samt, mit Jäckchen, glänzenden Schleifen, golddurchwirkten Gewändern, perlenbesetzten Hüten mit Tüllschleiern, aufwändigen Spitzenschirmen vorm Schloss tagein, tagaus entlangliefen. Und an die Herren in schwarzen Fräcken, frisch gebürsteten Zylindern, Westen, weißen Hemden mit steifen, hohen Kragen („Vatermördern“), als auch sie zum alltäglichen Stadtbild der Residenz gehörten.
Die historische Aufmachung unserer Reisegruppe zieht die Presse an, ein Filmteam und Schaulustige, die sich schon in aller Frühe um 8 Uhr morgens einfinden.
Sonnenschein, welch glücklicher Reisevorbote!
Gisela Kordes und Jörg-Ulrich Stange sind aus Kiel angereist, um uns zu begleiten. Jörg-Ulrich Stange hat den Vorsitz des Kieler Zarenvereins inne.
Der Weimarer Bürgermeister Ralf Kirsten begrüßt und wünscht uns das Beste für das ungewöhnliche Unternehmen. Mit Kutschen soll es nach Sachsen gehen. Auf abseitigen, ungehobelten Pfaden nach Leipzig, in die große Stadt. Vier ganze Tagesreisen von Weimar entfernt.
Und dann kommen die Kutschen auf den Schlossplatz vorgefahren. Die Kutscher schwingen die Peitschen, sitzen auf den hohen Kutschböcken in gelben Uniformen. Alles strahlt.
Die große gelbe Postkutsche, ein Nachbau der ehemaligen „Sächsischen Pferdepersonenpost“. Das steht in Sütterlin an der Tür. Darüber ein Posthorn. Ein Vierspänner. Sie fasst neun Personen! Die zwei kleineren sind Landauer-Zweispänner mit verstellbaren Verdecken, für je vier Personen. Alle staunen sie an. Die elegante Schönheit alter Tage, deren Anblick in der modernen Welt verschwunden ist. Hier dürfen wir wirklich einsteigen? Wir schauen und schauen und können uns nicht abwenden.
Das Staunen bleibt auf der ganzen Reise. So auch der Geruch der Pferde, ihr Wiehern, ihr Trappeln.
Postillione früherer Zeiten waren Männer, heute kutschieren uns Monika Sonntag, Kerstin Händler und Siegfried Händler und uns als Beifahrer sind Kerstin Bazan und Hartmut Ullrich dabei. Unser fleißiger «Marketender» ist Fabian Sonntag. Alle tragen zünftige Hüte. Schon wird flink eine Leiter an die Postkutsche angestellt, wir dürfen auf dem steilen Stieg hinein. Der Kutscher hält eines jeden Hand, bei jedem Ein- und Ausstieg. Zu unserer Überraschung finden wir innen ein mit dunkelgrünem Samt ausgeschlagenes Coupé vor! Und weich gepolsterte Plätze! Das Verdeck lässt sich öffnen. Übrigens brauchen wir keinen Reisepass, wie damals üblich. Die Personaldokumente waren noch nicht erfunden. Man beschrieb anhand persönlicher Merkmale die Reisenden, ihre Gesichtsfarbe, ihre Bartform etc. Handschriftlich mit Feder und Tusche. Auf gewöhnliches Papier jener Tage. Innenplätze galten als die teuersten.
Unser Brautpaar, die russische Großfürstin Maria Pawlowna und der Erbprinz Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach – Gerlind und Michael Häublein – reist in einem Zweispänner. Bei der Ausfahrt stößt der Kutscher — wie es sich gehört — ins Posthorn. Die Schaulustigen winken. Und unser Musiker Michael Pein stimmt das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ an. Im Tempo von 6 km/h liegt die Stadt bald hinter uns. Wir singen. Die Pferde trappeln. Ganz langsam gleitet die Landschaft an uns vorbei. Die Kutschen schaukeln, aber nicht so heftig wie erwartet. Es ist ein stilles Dahinziehen, die Vögel zwitschern um uns herum. Verdeck und Fenster geöffnet, sind wir ganz in der Natur. Keine Bundesstraßen, keine Landstraßen. Nur in Ausnahmefällen nehmen wir sie, wenn es vom Weg her gar nicht anders möglich ist. Feldwege. Wiesenwege, ausgespült vom Regen. Über Stock und Stein. Auf den Waldwegen ist es besonders heimelig: überall frisches Grün um uns herum, Zweige ragen plötzlich von allen Seiten in die Kutsche hinein. Wir erschrecken ein bisschen und lachen. Und fangen an zu erzählen. Einander kennenlernen. Stellen fest, dass wir eine internationale Gruppe sind.
Wir singen deutsche Lieder, die russischen Frauen singen russische Lieder. Michael und Irina sind wahre Meister im Spielen der Gitarre, wenn es ab und an mal tüchtig holpert.
Schon in der ersten Stunde setzt eine Entschleunigung ein, die uns ganz aus der Zeit heraushebt. Sie hält an. Mit jedem Einstieg in die Kutsche diese Zeitverschiebung. Sich ganz langsam durch die junigrüne Natur zu bewegen, vorbei am roten Mohn, der an den Feldrändern steht. Die aufgegangene Saat zu beobachten. Alte Heckenrosenbüsche mit rosa Blüten und Holunderbüsche mit stark duftenden Dolden. Am Wegrand viele kleine Frühlingsblumen, bunt. Man will das Auge einfach nicht davon lassen.

Nach einer Stunde erreichen wir das Dorf Süßenborn. Ein Sopransaxophonist bläst zu unserer Begrüßung eine Weise. Bürgermeister Christiani ganz im historischen Kostüm und auch andere Süßenborner! Sie bereiten uns einen herzlichen Sektempfang. Mitten im Ort steht die vor kurzem enthüllte Schautafel der Maria-Pawlowna-Gesellschaft, die in deutscher und englischer Sprache die Reiseroute des Brautpaares von 1804 nachzeichnet und erklärt.
Süßenborner Apfelsaft, eine Spezialität, wird uns zu Fettbroten gereicht. Am Ort liegen Streuobstwiesen mit ganz alten Apfelsorten an, aus denen der milde Apfelsaft bereitet wird. Ein erfrischender Genuss!

Weiter geht die Reise nach Apolda. Wir machen eine Kaffeepause an einem Pavillon am See im Park. Und Beate Herrmann, die «Jungfer Wenzel», die uns zur Postgeschichte in Weimar geführt hatte und heute mit uns reist, hat Geburtstag. Wir singen russische und deutsche Geburtstagslieder für sie. Das bringt noch mehr Leichtigkeit und Freude in die Gruppe. Irina schenkt roten Johannisbeerlikör homemade by herself ein. Köstlich! Und Beate Herrmann, heute als Caroline Falck kostümiert, liest uns aus dem Kriegsbüchlein des Weimarer Pädagogen und Begründer der Jugendsozialarbeit, Johannes Daniel Falk, von 1813 vor.
Wir verlassen Apolda Richtung Auerstedt.
Die Kutscher rufen: Hepp! Hepp!, schwingen die Peitsche und schnalzen mit der Zunge. Die Pferde gehorchen sofort, trappeln los. Wir schauen hinaus. Und singen mit Michael zur Gitarre.

Sobald wir mit der Kutsche durch die Dörfer ziehen, kommen Menschen aus ihren Häusern, zücken ihre Handys, filmen blitzschnell oder lächeln uns einfach beglückt und überrascht an. Manche winken, trauen ihren Augen nicht und staunen über das seltene Spektakel. Ein Zauber geht von diesen alten Kutschen aus, die man ja nie mehr einfach so vor der eigenen Haustür sieht. Als lebten alte Kinderbücher aus längst vergessenen Tagen wieder in uns auf.
Zwischendurch steigen wir vor einer Anhöhe einmal aus, um die Pferde zu schonen. Sie sollen uns noch viele Kilometer durch die Landschaft bringen. Eine Entlastung. Ein fröhliches Wandern die Straße hinauf.

Auerstedt. Bürgermeister Dirk Schütze und engagierte Auerstedter Bürger erwarten unsere Ankunft in der Ortsmitte. Nach einer herzlichen Begrüßung wird die nächste Maria-Pawlowna-Gedenktafel enthüllt. Die Presse und SALVE TV begleiten es. Wir genießen gut gekühlten Prosecco.
Gleich im Anschluss können wir das Historische Kutschenmuseum am Schloss besichtigen. Es gibt eine Führung. Wie genau passt dieses Museum in unsere Zeitreise, in unser Zeitgefühl des beginnenden 19. Jahrhundert. Da lebte Friedrich Schiller noch in Weimar!
Wir bestaunen die acht Kutschen des Weimarer Hofes, ihre prunkvolle Ausstattung, die Winter- und Sommerkutschen. Alle tragen unterschiedliche Namen, ganz nach ihrer Verwendungsform. Ehrfurchtsvoll stehen wir vor der originalen Hochzeitskutsche von Maria Pawlowna, in der sie mit ihrem Gemahl Carl Friedrich nach ihrer Hochzeit von Sankt Petersburg nach Weimar fuhr. Sie ist ein Geschenk ihres Bruders, Zar Alexander. Sie waren vom 7. Oktober bis zum 9. November 1804 damit unterwegs. Die Kutsche war in ihrer Zeit so modern ausgestattet, dass sie sogar eine kleine Reisetoilette enthielt, die gezeigt wurde. Ein Herr des Sächsisch-Werderischen Corps (SWC), Herr Witzel aus Großenneuhausen, steht in der originalgetreuen Uniform des Corps im Museum. Er wirkt so echt — wie aus der Zeit gefallen. Gestattung und Verbot des Corps wechselten sich in den Zeiten ab. Herr Witzel betreibt Traditionspflege in einem Schützenverein im Heimatort. Die Familie von Neuendorf von der „Wettiner Fürstenstraße“ ist in historischen Kostümen auch dabei. 
Neben den Kutschen gibt es eine Sammlung historischer Landwirtschaftsgeräte aus der Umgebung.

Voller Eindrücke und in bester Reiselaune speisen wir in der Gruppe im Schloss Auerstedt. Es gibt heute wie auch an folgenden Abenden genug zu plaudern.
Viel Applaus und Dankbarkeit gehen an das wunderbare Organisationsteam!

Wer mutig ist, kann frühmorgens den Tag im Pool begrüßen. Oder auf einem Spaziergang Auerstedt kennenlernen: die Kirche, das alte Backhaus mit Schulanbau, den Emsenbach. Überall findet der Tourist in deutscher und englischer Sprache Erklärungen oder kleine Anekdoten zum Ort vor.
Nach dem Frühstück brechen wir gen Kösen auf. Marion Schneider und Klaus Dieter Böhm, beide Unternehmer in Bad Sulza und Auerstedt, steigen zu.
Der Himmel gibt sich bedeckt, es wird kühler. Leichter Regen lässt die alten Pflastersteine am Schloss glänzen. Die Verdecke der Landauer werden geschlossen. Unter einem solchen Himmel sieht die Welt gleich ganz anders aus. Unser Musiker Micheal singt seine „Regenballade“: Regenzeit ist über die Erde gekommen / Regenzeit wird auch vergeh’n / Doch ich liebe, wie es ist, das Grau und das Grün und dich, wie du bist. Und eh der Baum sein erstes Blatt verloren, wird schon die Knospe für ein Neues geboren / Regenzeit ist schön.“
Wir unterhalten uns und haben Zeitvertreib.
Da wir aus so verschiedenen Gegenden Deutschlands stammen, hat ja jede Region auch ihre ureigenen Rezepte. So gibt uns Barbara die Zubereitung einer BADISCHEN ZWIEBELWEIHE weiter: Pizzateig auf einem Blech ausrollen / 4 mittelgroße rote Zwiebeln kleinschneiden und in recht viel Butter glasieren / auf dem Teig dünn verteilen, pfeffern, salzen / dünne Speckscheiben zerschneiden und darauf geben / In den Ofen schieben und backen / herausnehmen und mit einem frischen Salat servieren / Guten Appetit!
Niemand von uns in der Kutsche hat je etwas von einem Gericht namens „Weihe“ gehört.

Auf dem Weg nach Bad Kösen sehen wir nun häufiger Weinstöcke, in privaten Gärten am Haus, aber auch an den Hängen. Das Saale-Unstrut-Weinanbaugebiet beginnt.
Die nächste Pause ruft. Die Pferde brauchen Futter und Tränke, wir halten vor der Konditorei Schoppe Bad Kösen. „Ein süßes Stück Bad Kösen“ liegt vor uns: Liebesknochen, Florentiner, Leipziger Lerchen, Erdbeertörtchen, Himbeerstücken, Zitronenkuchen, Johannisbeer- und Stachelbeerbaiser, Sacher, Mokkatorte, Pfirsich-Maracuja-Traum, Schokocremetorte… Oder doch lieber einen deftigen Speckkuchen? Oh je!
Schließlich findet ein jeder seins und zwischen den prächtigsten Kachelöfen des Burgenlandkreises trinken wir Kaffee und sündigen Süßes, in aller Stille.
Die zwei hohen Öfen sind im Jugendstil erbaut worden. Einer verfügt über reich verzierte Kacheln in türkisblauer und beiger Ornamentik. Auf dem zweiten liegen auf flaschengrünen Kacheln fein ziselierte Ranken mit Blumenköpfen.

Die Kutscher rufen laut: Hepp! Hepp! – Wir steigen ein Den freundlich-neugierigen Kösenern winken wir aus unserer Kutsche mit Hannes Waders Lied: „Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort“ zu und fahren aus der Stadt hinaus.
An einem nahegelegenen Bahnübergang scheuen die Pferde und wollen nicht über die Schienen. Die Kutsche ruckelt und steht plötzlich. Beherzt springt die Kutscherin ab, besänftigt die Tiere und führt sie langsam über die Gleise.
Schon überqueren wir singend die Saale: „An der Saale hellem Strande stehen Burgen stolz und kühn“, ein altes Lied aus dem Jahre 1826 von Franz Kugler. Er schrieb es in Rudolstadt.
Mehr und mehr Weinberge liegen am Wege.
Irina, Katja, Regina und Jana singen russische Liebeslieder. Wir hören andächtig zu. Auch „Moskauer Abende“, „Schwarze Augen“, „Katjuscha“, uns bekannte und unbekannte Lieder.
Wir fahren am Kloster Schulpforta mit der ehemaligen Klosterkirche vorbei, die im Jahre 1320 errichtet wurde. Der Regen hat sich verflüchtigt. Er lässt die Natur frisch gewaschen zurück.

Naumburg. Über die Kösener Straße/Ecke Krumme Hufe fahren wir in Naumburg ein. Vorbei am großen Gebäude der ehemaligen Preußischen Kadettenanstalt, die heute das Bundessprachenamt Sprachenzentrum Ost der Deutschen Bundeswehr beherbergt.
Bei der Ankunft auf dem Marktplatz stehen viele Naumburger zur Begrüßung bereit. Sie sprechen uns an, interessieren sich für die Kutschen und den Zweck der Reise. Die Presse hat täglich über unsere Route informiert.
Wir werden vom Vertreter des Oberbürgermeisters, Herrn Ohse, erwartet und begrüßt.
Gleich holt uns der Stadtführer Dr. Matthias Ludwig ab und zeigt uns das alte Naumburg, unter anderem die enge Jüdengasse. Sie war schon im Jahre 1350 das Wohnviertel der Naumburger Juden. Namen der Familien sind in eine Steinwand graviert.
Auf dem Holzmarkt steht das Friedrich-Nietzsche-Denkmal. Der berühmte Philosoph verbrachte hier den Großteil seiner Kindheit und Jugend, besuchte Elementarschule und Domgymnasium. Für das ehemalige Wohnhaus der Familie, heute das Museum „Nietzsche-Haus“, bleibt keine Zeit. Wir springen lächelnd unter der spannenden Führung von Herrn Dr. Ludwig durch die Jahrhunderte. Die Stadt lag an der bedeutenden mittelalterlichen Handelsstraße Via Regia. Wir erfahren, dass Naumburg den Spitznamen Pensionopolis trägt. Friedliche Beschaulichkeit zieht Menschen höherer Altersstufen magisch an. Tendenziell verjüngt sich die Bevölkerung seit einigen Jahren wieder. Die Großstadt Leipzig liegt in der Nähe.

Im altehrwürdigen Braugasthaus am Naumburger Marktplatz verbringen wir den Abend. Die ehemalige Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen und Landesvorsitzende der CDU Thüringen, Christine Lieberknecht, reiste mit uns von Weimar bis Naumburg. Als Kuratoriumsmitglied der Gesellschaft richtet sie ein Grußwort an die Gruppe, das von großer Freude über das gemeinsam Erlebte, Herzlichkeit und Emphase in der Rede getragen ist. Sie würdigt das Ansinnen der Maria-Pawlowna-Gesellschaft, mit der Schaffung einer Erlebnisroute eine Brücke zur Völkerverständigung mittels Kultur, Kunst und Tourismus zu schlagen. Internationalität, Toleranz und Offenheit prägen die Gruppe genauso wie Interesse und Humor.
Der Landrat des Burgenlandkreises, Herr Götz Ulrich, begrüßt uns und spricht über die Region Burgenlandkreis.

Marktplätze sind von jeher Attraktionen. So kann man in aller Frühe den Wochenmarkt in Naumburg bestaunen. Frisches aus der Region, Obst, Gemüse. Blumen leuchten in allen Farben. Fülle, Überfülle. Erdbeerzeit. Die aromatischen Früchte lachen rot und prall an den Ständen.

Wir dürfen noch einmal mit Dr. Matthias Ludwig zwei Stunden im Naumburger Dom genießen. Der Dom gilt als eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler des Hochmittelalters, er wird als spätromanisch-frühgotisch eingestuft. Seit 2018 gehört er zum UNESCO-Welterbe. Ein Besuchermagnet.
Dr. Ludwigs Erklärungen machen uns sehend. Er spricht über den Mythos der Stifterfigur Uta von Naumburg und verweist auf die Erzählung von Günter Grass „Figurenstehen“ (2022). Sieben Jahre nach dem Tod von Grass erscheint dieses Buch über die Naumburger Uta und wird als kleine literarische Sensation gefeiert. Wir stehen vor den Bildnissen am Lettner, wir sehen ein mittelalterliches Chorbuch in Kopie auf einem der Zeit nachempfundenen Ständer. Er spricht über das große Altarbild von Michael Triegel, dem „Papstmaler“, das für den Ostchor des Doms geschaffen wurde. Allerdings sehen wir es nur auf einer Kopie. Momentan wandert es durch verschiedene Ausstellungen. Doch das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Als besonderes Geschenk öffnet sich uns die schwere, alte Holztür der Domstiftsbibliothek und des Domstiftsarchivs. Was für eine Chance!
Vorsichtig betreten wir den würdevollen Ort, der einen intensiven Geruch nach alten Büchern und Staub verströmt. Die Bestände zählen zu den kulturhistorisch bedeutendsten in Sachsen-Anhalt und sind von internationalem Rang. Kostbare und unersetzliche Einzelbestände wie Urkunden, Kopialbücher, Akten, Aufschwörtafeln, Inkunabeln etc. reichen bis ins Hochmittelalter zurück. Es handelt sich um schriftliche Überlieferungen des Domkapitels und der Naumburger Bischöfe. Herr Ludwig hat für uns überformatige, alte Bücher ausgelegt. Er zeigt die Bestandteile am Buch. Sehr beeindruckend!
Die Urkunde über die Aufnahme des Naumburger Doms in die Liste des Weltkulturerbes vom 4. Juli 2018 wird dort aufbewahrt. Ein eher selten modernes Stück in dieser Sammlung.
Und gerade darüber schwebt schweigend der Satz Erich Kästners: „Nur unterwegs erfährt man das Gefühl märchenhafter Verwunschenheit.“

Vorm Dom stehen die Kutschen. Dort erwartet uns eine große Überraschung: die Erstklässler aus Naumburg mir ihrer Lehrerin Frau Fiedelak winken uns mit selbstgebastelten Fähnchen und wünschen uns eine gute Reise in Deutsch, Russisch, Ukrainisch und Arabisch. Rührend!

Wir reisen durch die Landschaft des Saaletales im südlichen Sachsen-Anhalt gen Weißenfels. Eine milde Landschaft liegt vor uns, wir entdecken die stolze Schönburg und die beeindruckende Burg Goseck. Unterhalb von Goseck liegt die Öblitzschleuse.

Die Pferde können mit den Kutschen eine Unterführung nicht passieren. Wir kommen einfach nicht durch. Das bedeutet, dass eine Verspätung entsteht. Durch einige weitere Verzögerungen kommen wir an diesem Tag auf 2,5 Stunden Verspätung. Wir reisen mit Kutschen. Die Pünktlichkeit des Programmes gerät aus den Fugen. Die Aufregung darüber hält sich ganz in Grenzen.

Weißenfels. Die Kulturamtsleiterin der Stadt Weißenfels in Vertretung des Oberbürgermeisters Martin Papke und Frau Schulze, Stadtführerin und Ehrenbürgerin der Stadt Weißenfels, im historischen Kostüm, empfangen uns vor der Marienkirche am Markt. Freundlicherweise haben sie auf uns gewartet. Die Zeit drängt, wir werden ins Heinrich-Schütz-Haus geleitet. Dort wartet Dr. Maik Richter auf uns.
Das Zeit-Reisen, in dem wir jetzt schon Übung haben, setzt sich fort. Gerade aus den Urgründen des Naumburger Doms gekommen, begeben wir uns mit Heinrich Schütz ins 17. Jahrhundert. Wir stehen in seinem Wohnhaus, das der Komponist 1651 erwarb. Er verbrachte von 1657-1672 seinen Lebensabend hier. „…mein Lied in meinem Hause“ – die Komponierstube befindet sich im Dachgeschoß. Dort schuf er seine bedeutende Vokalmusik. Wir hören mehrfach Klangbeispiele. Dr. Richters kompetente Führung durch die Lebenswelt Heinrich Schütz‘ hinterlässt einen großen Eindruck. Er eröffnet uns plastisch den dichten Raum der Renaissance. Wie fern ist uns diese Zeit heute. Schütz‘ außerirdische Musik geht uns unter die Haut.
Langsam sind wir müde und haben uns das Abendessen verdient.

Nun haben wir nur noch 35 Kilometer bis Leipzig vor uns. Unsere Pferde und die Kutschen stehen in Lützen. Ein Halt an der Gustav-Adolf-Gedenkstätte. Der protestantische Schwedenkönig fiel hier 1632 in der Schlacht bei Lützen im Dreißigjährigen Krieg. 1907 stiftete das schwedische Konsulpaar Ekman eine Kapelle. Die Militärhistorikerin und Museumsleiterin, Teresa Schneidewind, gibt uns Einblick in den Schlachtverlauf im Museum.
Schwere Betroffenheit in der Gruppe über die Zahlen der Toten. Hier steht man direkt am Schlachtfeld. Alles rückt ganz nahe.

Und nun geht’s auf nach Leipzig! Nur noch vier Stunden liegen vor uns in den Kutschen.
Die Sonne ist zurückgekehrt.

Leipzig. Den ersten Halt erleben wir in der ehemaligen Fabrikstadt, der Leipziger Baumwollspinnerei. Sie galt als größte in Europa zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Genau 100 Jahre später wurde sie eine der interessantesten Produktions- und Ausstellungsstätten für zeitgenössische Kunst und Kultur. Im angesagten Mule-Café, einem ehemaligen Fabrikgebäude mit stilvoller Atmosphäre, stärken wir uns.

Danach die Einfahrt nach Leipzig in die Innenstadt. Wir können nur auf den städtischen Straßen langkutschieren. Von überall her schenken uns die Menschen Beachtung. Bauarbeiter auf Hochhäusern winken uns, Autofahrer, Schulkinder, Alte und Junge, Polizisten, Studenten. Es ist der Griff ins volle Menschenleben. Es macht allen Spaß, uns und auch den Zuschauern.

Am Stadtring Höhe Neues Rathaus findet die Kutschfahrt ihr Ende.
Wir verabschieden uns vom Bad Dübener Fuhrunternehmen Sonntag & Händler. Schießen Fotos zur Erinnerung. Wollen uns irgendwie nicht trennen.
Sonja kauft den guten Pferden schnell im Supermarkt frische Karotten, die sie gerne fressen.
Wehmut haben wir schon im Gepäck.

Im alten Barfußgässchen ein Abendessen im Zill’s Tunnel. Nachtschwärmer überall, die Straßencafés sind voll. Der Geschmack von Sommer. Eine Großstadt gibt sich die Ehre. Dementsprechend heißt unser Abendprogramm: Dinner Statements. Das Thema: „Dynastische und kulturhistorische Verbundenheit Deutschlands und Russlands: gemeinsame Geschichte ohne Zukunft?“ Wir treffen die Deutsch-Russische Gesellschaft zu Leipzig. Das Statement von Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach wird vorgetragen.  Es sprechen Dr. Irina Tschistowskaja, Präsidentin der Maria-Pawlowna-Gesellschaft Weimar, Jörg-Ulrich Stange, der Vorsitzende des Kieler Zarenvereins e.V. und Dirk Udo Fricke im Namen der Deutsch-Russischen Gesellschaft zu Leipzig.

Bewegende Gespräche, auch Reiseteilnehmer melden sich zu Wort. Die vielen Anregungen der Woche, die Begegnungen mit schwerwiegenden historischen Ereignissen und ihren komplexen Herausforderungen, das gemeinsame Nachdenken im Gespräch — all das zeitigt seine Wirkung. Der Wunsch nach Frieden steht über allem.

Es wächst die Vorfreude auf Leipzig, war sie doch von einigen unserer Mitfahrer die Studienstadt, wurde länger zum Wohn- und Arbeitsort. Wie ist das Leipzig von heute? Wie hat es sich verändert? Peter Helbig als Stadtführer hilft uns auf die Sprünge. Im Sonnenschein trägt die Stadt ihr schönstes Kleid.
Es gibt ein Wiedersehen mit der eleganten Mädlerpassage, wir streicheln den goldenen Schuh des Herrn Dr. Faustus für unser Glück, sehen Moritz Götzes Mosaiken an den Wänden. Die Alte Handelsbörse am Rande des Naschmarktes, sie wurde im Frühbarock errichtet. Vor uns liegt der große Marktplatz mit dem Alten Rathaus.

Aber alles ist abgesperrt?
Das Bachfest „BACH for Future!“ tobt. Das größte Bach-Jubiläum „BACH300. 300 Jahre Bach in Leipzig“ wird opulent gefeiert. 1723 wird Johann Sebastian Bach Thomaskantor in Leipzig. Er zieht mit zwei Kutschen (!) von Köthen herüber in den Thomaskirchhof und schafft von da an Meisterwerk über Meisterwerk.
Auf der großen Bühne eine Probe mit Orchester und Chor. Am Abend BACHstage unter freiem Himmel. Einfach stehenbleiben. Bitte! Nur nicht weitergehen. Nicht sprechen. Hören. Bachs Musik tief drinnen aufnehmen. Was für ein sinnlicher Moment.
In diesem Augenblick mit jeder Faser Ankunft im historischen Leipzig.

Im Kaffeehaus RIQUET im Schuhmachergässchen. Am feudalen Eingang große steinerne Elefantenköpfe. Wir sitzen noch einmal zusammen. Ein besonderer Tag. UNSERE Maria Pawlowna — Gerlind Häublein — hat Geburtstag und ehrt ihn mit einer Runde gut gekühltem Sekt. Nun werden Abschiedsworte gesprochen.
Es geht um die Einzigartigkeit der Erfahrung, per Kutsche zu reisen. Ein Aus-der-Zeit-fallen. Um die zutiefst wohltuende Langsamkeit, die sich einstellt. Die alles rundherum vergessen lässt. Vor allem die Geschäftigkeit der Welt. Das digitale Zeitalter mit seinen ureigenen, vielgestaltigen (Miss-)Tönen. Seinem ständigen Auf-dem-Sprung-sein.
Dagegen eine konzentrierte Gedankenreise durch die Jahrhunderte zu setzen. In ihrer Dichte eine ganz einmalige Erfahrung. Es passiert ein Näherkommen an andere Lebensweisen in längst vergangenen Zeiten.
Unsere menschliche Gemeinschaft, die wir in diesen Tagen des Zusammenseins bildeten, ist besonders. Sie war in aller Lebendigkeit von großer Harmonie getragen.
Wir sind voller Dankbarkeit den engagierten Organisatoren gegenüber.
Was für ein Geschenk.
Pferde und die Arbeit der Kutscher haben uns sicher nach Leipzig chauffiert. Kein Wagenbruch, keine vom Regen aufgeweichten, unpassierbaren Wege, keine Sandböden, die das Fahren sehr erschweren, keine zwielichtigen Wegelagerer, die auf den nächsten Überfall spitzen.

Wir sagen Adieu.
Gleich wird uns alle der Leipziger Hauptbahnhof verschlingen. Menschenmassen, Geschäftigkeit, Unruhe, Lautstärke. Pfeilschnelle Züge bringen uns auf riesigen Schienennetzen in unsere umtriebigen Leben zurück. Wenn sich auch nur einige Minuten Verspätung ergeben, werden wir unruhig. Brummeln. Hadern mit dem Unternehmen, das uns korrekte Pünktlichkeit verspricht.
Wir fallen wieder in die Zeit. Ins Heute.

Fotos: Michael Pein, Holger Volk, Peter Reich, Jens Kosch, Irina Tschistowskaja, Thomas Knothe, Marie Helbig, Gerlind und Michael Häublein

Einweihung Informationstafel in Süßenborn

Die Maria-Pawlowna-Gesellschaft entwickelt die Reisestrecke von St. Petersburg nach Weimar, die Maria Pawlowna und Carl Friedrich nach ihrer Hochzeit zurücklegten, als touristische Kulturroute mit dem Titel Erlebnisroute Maria Pawlowna. Wir verstehen die Erlebnisroute als ein gemeinsames historisches Erbe, aber auch als einen gerade in heutigen Zeiten verbindenden Pfad zur Völkerverständigung.

An Orten mit speziellem Bezug zum Verlauf der Erlebnisroute werden Informationstafeln aufgestellt. Am 23. April 2023 wurde eine Informationstafel in Süßenborn eingeweiht.

Warum gerade Süßenborn?

Am 9. November 1804 traf das junge Ehepaar Maria Pawlowna und Carl Friedrich in der Residenzstadt Weimar ein. Auf dem letzten Wegstück wurden sie von der Landbevölkerung des Herzogtums willkommen geheißen. In seinem Reisetagebuch vermerkte Erbprinz Carl Friedrich: „Es waren auch aus jedem Dorfe einige Abgeordnete da, welche vor unseren Wagen voran ritten, auf ihnen folgte die Jägerrey […], dann die Postillons und die Kaufleute aus Weimar und Jena.“ An der Reisestrecke hatte man mehrere Ehrenbögen errichtet, u. a. auch in Süßenborn. Die Reisegesellschaft hielt kurz an jedem Bogen an, um die ihnen dargebrachten Glückwünsche und Ehrenbezeugungen entgegenzunehmen.

Am 23. April 2023 haben die Mitglieder der Maria-Pawlowna-Gesellschaft und die Einwohner von Süßenborn die Einweihung der Informationstafel auf dem Dorfplatz gemeinsam gefeiert. Der Ortsteilbürgermeister Dirk Christiani eröffnete die Feierstunde, der Bürgermeister der Stadt Weimar Ralf Kirsten erinnerte an die Bedeutung Maria Pawlownas für Weimar bis heute, die Präsidentin unseres Vereins Dr. Irina Tschistowskaja erläuterte den Hintergrund für die Informationstafel. Die Stadtführerin Beate Hermann aus Weimar verkörperte die Postbotin Wenzel, die den Gästen auf unterhaltsame Weise die Postgeschichte um 1800 näherbrachte.

Bei Getränken und Speisen, die durch die Mitglieder der Maria-Pawlowna-Gesellschaft und des Süßenborner Dorfvereins liebevoll zubereitet wurden, tauschten sich die Anwesenden bei strahlendem Sonnenschein über die angesprochenen Themen aus. Anschließend führte Dirk Christiani die Interessierten durch das schöne Dorf Süßenborn mit einer archäologischen Fundstätte und einer Coudray-Kirche.

Der Vorstand der Maria-Pawlowna-Gesellschaft dankt der Dorfgemeinschaft von Süßenborn für das Aufstellen der Informationstafel und für den sehr freundlichen Empfang herzlich! Ein Dank gilt der Fa. Ortloff aus Arnstadt für die großzügige Unterstützung bei der Anfertigung und Auslieferung der Informationstafeln. Außerdem gilt unser Dank allen, die zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben.

Fotos: Michael Häublein, Jens Kosch und Nikolai Bondarenko